Am 5. Oktober fand der jährliche Pferdeabtrieb Viðidalstungurétt im Nordwesten Islands statt. Einige Touristen sahen sich das Spektakel an und ritten mit den Bauern aus der Region.
Der Sturm ist stark genug, um Menschen weg zu fegen, aber beim Viðidalstungurétt im Nordwesten Islands ist alles wie immer. Es ist der 5. Oktober und die Bauern haben sich versammelt, um die Pferde, die den Sommer über in den Bergen gegrast haben, zu herden und zu sortieren. Die Zuschauer sehen, wie immer eine kleine Gruppe von Pferden in den runden Platz getrieben und anschließend Pferd für Pferd in einen kleineren Paddock der entsprechenden Farm sortiert wird. „Es sind 350-400 Pferde,“ sagt Steinbjörn Tryggvason, Chef des Abtriebs und fügt hinzu, dass trotz des stürmischen Wetters alles nach Plan verlief. „Es ist meine Aufgabe, mich um die Pferde zu kümmern und ich stelle sicher, dass am Ende jeder die richtigen Pferde hat und alles nach Plan verläuft.“ Steinbjörn, der in Hvammstangi lebt, organisiert den Viðidalstungurétt Abtrieb seit 20 Jahren. Gemeinsam mit seiner Frau bietet er auch Reittouren an, teilweise in Verbindung mit dem Abtrieb. Die bunten Pferde laufen im Kreis um die Menschen herum, bis die Besitzer sicher sind, dass das Pferd ihnen gehört. „Normalerweise erkennen die Bauern ihre Pferde,“ sagt Steinbjörn. Falls sie sich einmal nicht sicher sind, können sie ihre Mikrochips scannen. „Es sind meistens Jungpferde,“ sagt Steinbjörn über die Pferde die gerade sortiert werden. Es gibt auch ein paar Stuten mit Fohlen. Im frühen Sommer werden die Pferde in die Berge gebracht, wo sie bis zum Herbst ohne Kontakt zu Menschen leben. „Die Bauern schonen ihre Weiden zuhause. Es gibt mehr als genug Gras in den Bergen,“ sagt er über den Grund der Tradition, welche Jahrhunderte zurückgeht. „Und es macht jede Menge Spaß!“
Steinbjörn Tryggvason, Chef des Abtriebs.
Gunnar Þorgeirsson, ein Pferde- und Schafbauer von Efri-Fitjar in Viðidalur, scannt einen wunderschönen Mausfalben, als Horses of Iceland auf ihn zugeht. „Ich hatte 12 Pferde in den Bergen und wollte nur sicher gehen, dass das hier meins ist.“ Ist es tatsächlich. „Die jungen Pferde verändern sich in dieser Zeit sehr. Sie sind oft dick wenn sie in die Berge geschickt werden und kommen muskulös und sportlich zurück. Sie bewegen sich mehr.“ Am Tag zuvor trieb Gunnar, zusammen mit anderen Leuten, im schönsten Herbstwetter die Herde hinunter in das Tal. „Ein paar Tage im September reiten wir in die Berge und herden Schafe und Pferde, um sie anschließend auf Felder die näher an unseren Höfen sind, zu bringen. Gestern [am 4. Oktober] brachten wir sie hierhin,“ erklärt er. An diesem Abend wurde der Meilenstein auf einem nahegelegenen Hof gefeiert. Aber die größte Feier findet am Abend nach dem Sortieren statt. Menschen von nah und fern treffen sich zum offiziellen Ball im Viðihlíð Gemeindezentrum.
Pferde- und Schafbauer Gunnar Þorgeirsson.
Pferdeabtriebe sind traditionsreiche Veranstaltungen, die einen besonderen Einblick in das isländsiche Landleben ermöglichen. Unter den Menschen, die den Abtrieb und das Sortieren beobachten, sind auch Touristen aus verschiedensten Ländern. Viele von ihnen ritten mit, als die Pferde am Tag zuvor in das Tal getrieben wurden. Haukur Suska lebt auf Hvammur in Vatnsdalur und ist einer der Veranstalter von Reittouren, die Íslandshestar führen. In den letzten vier Tagen hat er eine Gruppe von Touristen durch Flüsse, über Felder, zum Wasserfall in Kolugljúfur und auf den Berg, wo sie die freie Herde treffen konnten, gebracht. Die Tour endet am Tag des Abtriebs mit einem schnellen Ritt über Hóp, einem seichten aber großen See. „Die Menschen wollen die isländische Kultur erleben und Abtriebe sind perfekt dafür,“ sagt Haukur. „Die meisten meiner Gäste sind Ausländer, aber es sind auch ein paar Isländer unter ihnen. Die Isländer lieben die Stimmung aber haben vielleicht die Verbindung zum Landleben verloren. Sie [Leute die zum Reiten kommen] sind sehr geschätzte Gäste. Der Großteil von ihnen kommt immer wieder. Viele beschreiben es als ein großartiges Erlebnis – sogar lebensverändernd.“
Haukur Suska leitet eine Reittour.
John Goldfine aus Main in den USA ist gerade auf seiner 18. Reittour in Island. Als er gefragt wird, was ihn immer wieder zurückkommen lässt, lächelt er und sagt: „Ein Wort: Pferde!“ Er war bereits in anderen Teilen des Lands reiten, aber dieser Ort ist besonders für ihn. „Ich kenne und vertraue Haukur und Vatnsdalur fühlt sich für mich wie ein Zuhause an,“ sagt er. Außerdem mag er Islandpferde lieber als andere Rassen. „Andere Pferde sind nicht mehr so aufmerksam, wenn sie in großen Gruppen geritten wreden. Die Leute wissen nicht, wie sie sie kontrollieren können und die Pferde legen die Ohren an und schalten ab. Ich habe das Gefühl, dass ich zu Islandpferden eine bessere Verbindung aufbauen kann. Mit ihnen kann man kommunizieren. „Du möchtest traben? Alles klar. Du musst den Berg nicht hinauf tölten, aber vielleicht bis zum Fuß des Berges? Man kann mit ihnen verhandeln. Einen Kompromiss finden. Das mag ich.“ Auch Haukur weiß die Fähigkeiten seiner vierbeinigen Freunde zu schätzen. „Man kann fühlen, wie stark das Pferd ist, wenn es über alle Untergründe angenehm töltet. Es ist ein hervorragendes Transportmittel. Wir können uns sehr glücklich schätzen, Islandpferde zu haben und dank ihnen frei im ganzen Land herumreisen zu können.“
Text: Eygló Svala Arnarsdóttir. Photos: Louisa Hackl.