Die Islandpferde werden durch die Natur ihres Landes geformt. Island ist eine Insel mit aktiven Vulkanen. Das trägt zu einem mineralstoffreichen Boden bei und hat eine ziemlich einzigartige Vegetation zur Folge, die sich auch an die extremen Jahreszeiten angepasst hat.

Untersuchungen haben gezeigt, dass die Qualität des Heus in Island heute oft sehr hoch ist. Vor der Einführung des Verfahrens, die Heuballen mit Plastefolien zu umwickeln, war das nicht immer der Fall, da das Sommerwetter ziemlich unvorhersehbar sein kann. Mit der Möglichkeit der sicheren Lagerung des Futters bleibt jedoch die tatsächliche Qualität des Grases erhalten, und dieses erweist sich als ideale Futter für die Pferde.

Die Winter können lang sein, aber durch den Golfstrom sind sie viel milder, als die geographische Lage es erwarten lassen könnte. In manchen Wintern gibt es kaum genug Schnee, um die Ski-Gebiete geöffnet zu halten! Das Wetter kann ziemlich extrem sein, und die Pferde sind an dieses harsche Klima durch ihr dickes, zweilagiges Winterfell gut angepasst. Ein anderer wichtiger Faktor ist die Fähigkeit, Fett zu speichern, das im Sommer und Herbst angefuttert wird und als Isolierung sowie als Energiereserve dient, wenn bei andauerndem Winter immer weniger Futter zur Verfügung steht.

In Island sind die Pferde die einzigen Nutztiere, die noch heute das ganze Jahr über im Freien gehalten werden, und wenn gutes Land zum Grasen mit einem natürlichen Unterstand zur Verfügung steht, brauchen sie überhaupt keine Zusatzfütterung und sind im Frühjahr doch fett und gesund. Die Landschaft Islands ist großräumig und zerklüftet. Die Pferde lernen schon früh, sich geschickt auf unebenem Gelände zu bewegen  und mit Bergen, Felsen und kreuzenden Flüssen zurechtzukommen. Das macht die Pferde mutig und stark, und viele Reiter vom Kontinent finden, dass in Island aufgewachsene Pferde infolge ihrer natürlichen Aufzucht mit minimaler Einwirkung von Menschen etwas Besonderes sind. Mut, Neugier, Selbstvertrauen und Ruhe, dieses sind die formenden Faktoren der Natur.

BERGLUFT UND ABTRIEBE

Im Norden Islands werden im Sommer große Herden in abgelegene Täler geschickt, beim sogenannten afréttur. Drei Monate lang grasen sie und genießen unberührtes Gras, Kräuter und ihre Freiheit in der Wildnis. Der Grund dieser Tradition ist nicht nur die Weiden in der Nähe der Höfe zu schützen, sondern auch die Weiterentwicklung der Pferde. Es hat sich herausgestellt, dass diese Freiheit positive Auswirkungen auf die geistige Entwicklung von Fohlen und Jungpferden hat. Ihre Charaktere werden stärker, da sie lernen für sich selbsst zu sorgen.

Ende September oder Anfang Oktober reiten die Bauern in die Berge um ihre Pferde zu suchen, zu sammeln und zu sortieren. Das nennt man leitir og réttir – oder Abtriebe (stóðréttir für Pferde und fjárréttir für Schafe). Manchmal dauert es mehrere Tage, bis alle Pferde gefunden und nach Hause gebracht werden können. Am letzen Tag wird die Herde zu einem großen runden Gehege gebracht. Das Gehege heißt auch rétt, woher der Name kommt. Dort werden die Pferde sortiert und mit ihren Besitzern wiedervereint. Das Gegehe hat kleine Abteilungen, die jeweils einem Hof mit Pferden gehören.

Ungefähr 20 Abtriebe finden im Norden Islands an Wochenenden im September und Oktober statt; das genaue Datum wird einige Zeit vorher in der Farmzeitung bbl.is veröffentlicht. Diese Veranstaltungen wurden zu einer großen Touristenattraktion, für Ausländern genauso wie für Isländer. Der größte und berühmteste Abtrieb ist der Laufskálaréttir im Skagafjörður mit ungefährt 500 Pferden und 2000-3000 Menschen!

Es ist faszinierend, hunderte freilaufende Pferde zu beobachten, wie sie den Berg herunterlaufen, zu sehen wie sie sortiert werden und zu hören, wie die Bauern singen. Hier kann die authentische Islandpferdekultur und das Landleben in vollen Zügen genossen werden. Es ist ein wahres Fest! Besucher mit Reiterfahrung können Touren buchen, auf denen sie den Bauern helfen die Pferde zu suchen und zu sammeln. Es ist ein einmaliges Abenteuer und für viele Bauern der Höhepunkt der Saison.