Guðrún Stefánsdóttir, assistierende Professorin in der Abteilung für Pferdewissenschaften an der Universität in Hólar, diskutiert ihre Studie über die Auswirkungen des Reitergewichts auf Islandpferde im Tölt.
Guðrún Stefánsdóttir, assistierende Professorin in der Abteilung für Pferdewissenschaften an der Universität in Hólar, veröffentlichte vor zwei Jahren in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern aus Hólar und der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften eine Studie über die Auswirkungen des Reitergewichts auf Islandpferde im Tölt.
Diese Studie war ein Teil ihres PhD Projekts, welches die körperlichen Auswirkungen des Trainings auf Islandpferde erforschte. Die Ergebnisse verlangten weitere Forschungen, welche momentan vorbereitet werden.
„Das Islandpferd ist ziemlich klein für ein Reitpferd, 140cm Stockmaß und durchschnittlich 350kg, im Vergleich zu vielen anderen Reitpferderassen, welche zwischen 155-170cm erreichen und bis zu 450-550kg wiegen. Daher wirken Erwachsene oft sehr groß, wenn sie Islandpferde reiten und das Verhältnis zwischen dem Gewicht des Reiters und dem des Pferdes ist oft größer als die Norm bei Rassen aus anderen Ländern,“ sagt Guðrún über den Grund für die Studie. „Die Tatsache, dass dieses kleine Reitpferd große Reiter trägt, erfährt immer mehr Aufmerksamkeit, es wird diskutiert und auch kritisiert, besonders in den letzten Jahren. Daher ist es wichtig, wisschenschaftliche Studien durchzuführen, die zeigen was es für das Islandpferd bedeutet, unterschiedlich schwere Reiter zu tragen.“
Gewichte werden zum Sattel hinzugefügt.
Guðrún erklärt, dass das Islandpferd rein biologisch als Pony kategorisiert wird und dass in anderen Ländern Erwachsene normalerweise keine Ponies reiten. In Island aber wurde das Islandpferd seit der Besiedlung (874-930) als Nutz- und Reitpferd für Erwachsene genutzt.
Sie argumentiert, dass das Islandpferd ein „richtiges Reitpferd“ ist, da es genau für diesen Zweck seit fast 70 Jahren gezüchtet wird. Es ist „ ein Gangpferd, voller Energie und Gehwille und hunderte Jahre voller Erfahrung haben gezeigt, dass es in der Tat fähig ist, erwachsene Reiter zu tragen und dass es für viele Jahre als Reitpferd genutzt werden kann, da Islandpferde allgemein für gute Gesundheit und Langlebigkeit bekannt sind.“ Die systematische Zucht hat dazu geführt, dass das Islandpferd „fast quadratische Proportionen, einen eher kompakten Körperbau mit abfallender Kruppe und starken Beinen im Vergleich mit dem Körpergewicht“ aufweist.
In anderen Ländern als Island wird oft gesagt, dass der Reiter nicht mehr als ein bestimmter Bruchteil des Gewichts des Pferdes wiegen sollte. „Nach alten Militärregelungen sollten Pferde nicht mehr als 20% ihres Eigengewichts tragen. Soweit wir wissen, basiert diese Regelung auf keinen wissenschaftlichten Forschungen,“ sagt Guðrún. „In Island haben wir das Wort ‚hestburður‘, welches 100kg, das Gewicht an Heu welches jedes Pferd tragen können sollte, wenn es an den oft langen Tagen zum Heumachen eingesetzt wurde, beschreibt. Zu dieser Zeit waren Islandpferde kleiner als heute und vermutlich wogen sie um die 300kg. Es gibt ausländische Referenzen, die besagen dass Arbeitstiere wie Esel oder Maultiere 1/3 ihres eigenen Gewichts tragen können.“ Guðrún betont, dass Arbeitstiere meist nur Schritt gehen und dass die Geschwindigkeit einen signifikanten Einfluss auf die Reaktion des Körpers in Bewegung hat. Sie macht außerdem deutlich, dass ein Prozentsatz des Pferdegewichts nicht unbedingt der beste Anhaltspunkt dafür ist, wie schwer der Reiter sein darf. Wenn das Pferd etwa übergewichtig ist, wird davon ausgegangen, dass es automatisch einen schwereren Reiter tragen kann, zusätzlich zum eigenen Übergewicht.
In der Studie zum Effekt des Reitergewichts auf das Islandpferd im Tölt ritt die selbe Person acht verschiedene Pferde, allesamt ausgewachsene Schulpferde in sehr guter gesundheitlicher und körperlicher Verfassung. Während der Durchführung machte jedes Pferd einen Trainingstest, in dem nach und nach Gewichte zum Sattel und der Weste des Reiters hinzugefügt wurden. Das Pferd trug maximal 35% des Eigengewichts, bzw. durchschnittlich 128kg. Die Pferde wurden im Arbeitstempo Tölt (ca. 5.4 m/s) über eine kurze Distanz (2x 300m mit jedem Gewicht, 20%, 25%, 30%, 35% und nochmal 20%) und für eine kurze Zeit geritten. Alle Pferde konnten mit dem steigenden Gewicht gut umgehen.
„Die Pferde waren 15min nach dem Test wieder bei der Ruheatmung angekommen, Ruheherzfrequenz nach 30min und keines der Pferde zeigte Anzeichen von Muskelschmerzen oder Lahmheit. Ihre Verfassung wurde ebenfalls vor der Durchführung der Studie, 24 und 48 Stunden danach untersucht,“ erklärt Guðrún.
Der spezielle Sattel.
In dieser Studie wollten die Forscher den Effekt des Gewichts isoliert betrachten, da viele andere Faktoren wie die Balance des Reiters, die reiterlichen Fähigkeiten, der Körperfettanteil des Pferdes, der Trainingsstand des Pferdes, Geschwindigkeit, Distanz und Umgebungsbedingungen, ebenfalls eine Rolle spielen.
Tölt wurde aus verschiedenen Gründen gewählt, auch da es die Gangart ist für die das Islandpferd bekannt ist und es die bevorzugte Gangart beispielsweise bei Ausritten ist.
Obwohl alle Pferde das zunehmende Gewicht körperlich verkraften konnten, hat sich herausgestellt, dass es für manche Pferde einfacher war als für andere. „In der Studie gab es signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Pferden,“ sagt Guðrún und fügt hinzu, dass Reiter oft feststellen, dass ihre Pferde unterschiedlich stark sind. „Im Moment können wir nicht sagen, ob es ‚korrekte Kriterien‘ gibt, um herauszufinden wie viel Gewicht ein Pferd tragen kann. Aber unsere Studie hat definitiv gezeigt, dass die Größe des Pferdes allein auch nicht ausschlaggebend sein kann, da größere Pferde nicht immer automatisch stärker sind als kleinere.“ Die Studie hat außerdem gezeigt, dass ein breiter und muskulöser Pferderücken einen wichtigen Einfluss auf die Belastbarkeit des Pferdes haben kann.
Guðrún sagt es wäre wichtig, dass Reiter lernen die Zeichen ihres Pferdes zu erkennen, wenn sie beurteilen wollen wie viel Gewicht es tragen kann. „Sie müssen lernen dem Pferd zuzuhören und Symptome wie beispielsweise Erschöpfung, wenn das Pferd anfängt schwer zu atmen und zu schwitzen und weniger gern forwärtsgehen möchte, zu erkennen. Schmerzen im Rücken, Körper und in den Beinen sollten überwacht werden.“ Guðrún fügt hinzu, dass es auch hilfreich ist die Herzfrequenz zu messen, da eine hohe Herzfrequenz starke köperliche Belastung indiziert und dann zu messen, wie lange es dauert, bis das Pferd sich erholt hat.
Guðrún sagt, dass es normal ist, dass ein Pferd solche Symptome während des Trainings aufweist. „Wir kennen es von uns selbst. Wir können zeitweise schwer atmen, einen Muskelkater bekommen, steif oder fast lahm werden nach einem harten Training. Das ist an sich nicht gefährlich, solange es zeitlich begrenzt ist und ein Teil eines regelmäßigen Trainingsprozesses um Stärke und Ausdauer aufzubauen. Jedoch ist es nicht gut, wenn sich diese Zustände verlängern,“ fügt sie hinzu. „Wir müssen aufmerksam sein und die Signale, die das Pferd uns gibt, verstehen. Es kann beispielsweise gut sein, leichte Tage oder sogar freie Tage nach hartem Training einzulegen.“
Eines des Schulpferde, die Reiterin und die Forscher.
Als sie gefragt wird, ob es möglich wäre Richtlinien zur maximalen Tragfähigkeit des Islandpferdes einzuführen, antwortet Guðrún, dass es aufgrund der vielen anderen Einflüsse sehr kompliziert wäre. „Beispielsweise könnte man sich fragen, ob es schwieriger für ein Pferd ist, einen 100kg schweren Reiter 20min im Schritt zu tragen, oder einen 70kg schweren Reiter 20min im schnellen Tölt,“ betont sie. „Aber es gibt Studien die eindeutig zeigen, dass je schwerer der Reiter, desto schwerer ist des für das Pferd ihn oder sie zu tragen. Zum Beispiel ist es eindeutig, dass die körperliche Belastung des Pferdes viel höher ist, wenn der Reiter 30% des Gewichts des Pferdes erreicht oder überschreitet, im Verleich zu 20% oder 25%. Davon ausgehend, dass das Pferd in guter körperlicher Verfassung ist und die Faktoren, wie Geschwindigkeit, gleich bleiben.“ Guðrún sagt, dass es daher denkbar sei, Richtlinien für bestimmte Umstände, beispielsweise bestimmte Arten von Pferdeausflüge, zu erstellen.
Eines der Ergebnisse der Studie war es, dass weitere Forschung betrieben werden muss um die Frage zur Tragfähigkeit von Islandpferden zu beantworten. „In Zusammenarbeit mit der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala haben wir finanzielle Förderung des ‚Stock Protection Fund of the Icelandic Horse Breed‘ und des ‚Agricultural Productivity Fund‘ erhalten, um weitere Untersuchungen zu dem Einfluss des Reitergewichts auf die körperlichen Reaktionen des Islandpferdes durchzuführen,“ sagt Guðrún. „Wir würden gernen einen Trainingstest entwickeln, welcher spezifiziert wie viel Gewicht ein Islandpferd währen Freizeitreiten und anderen täglichen Aktivitäten tragen kann. Wir würden auch gerne herausfinden, ob es eine Verbindung zwischen dem Körperbau und den Muskelfasertypen- und der Tragfähigkeit der Islandpferde gibt.“ Außerdem ist es ihre Absicht, zu erforschen, ob die Tragfähigkeit von Pferden mit gezieltem Training erhöht werden kann und zu diesem Zweck verschiedene Trainingsmethoden zu testen. „Abschließend würden wir gerne herausfinden, ob die Ergebnisse der Islandpferde auf andere Rassen übertragen werden können,“ sagt Guðrún.
Hier können Sie die Studie auf Englisch lesen.
Die Wissenschaftler suchen Master und Doktorat Studenten die Interesse daran haben an der Forschung teilzunehmen. Schicken Sie eine Email an: gudrunst@holar.is.
Text: Eygló Svala Arnarsdóttir. Fotos: Aus der Studie. Übersetzung: Louisa Hackl.