So schnell er nur konnte rannte Löffellecker (Þvörusleikir) auf die schneebedeckten Lavafelder in Dimmuborgir zu. Seine strähnigen grauen Haare und der lange Bart wehten im Wind. Er benutzte seinen langen Holzlöffel wie einen Wanderstock, um die großen Schneeberge zu überqueren. Aber dann konnte er nicht mehr weiter gehen. Außer Atem versteckte er sich hinter einem Felsen. Aus weiter Entfernung hörte er seine Brüder seinen Namen rufen: „Löffellecker! Löffellecker! Komm zurück. Du musst baden!“ Es ist wieder diese schreckliche Zeit des Jahres, zu der Löffelleckers 12 Brüder ihn zwingen, zu baden und sich für Weihnachten zu waschen. Aber er hasste es, nass zu werden! Warum konnten sie das nicht verstehen?
Löffellecker und Keulenklauer mit einigen jungen Besucher in Dimmuborgir.
Im Advent besuchen Leute aus dem ganzen Land die 13 Weihnachtsmänner in ihrem Zuhause in Dimmuborgir in der Nähe des Sees Mývatn im Norden Islands. Löffellecker fand es witzig, mit den Kindern und ihren Eltern zu quatschen, für Fotos zu posieren und Spiele zu spielen. Aber danach badeten alle zusammen in den Mývatn Nature Baths. Die Weihnachtsmänner badeten nur einmal im Jahr, aber Löffellecker hasste es. Er versuchte jedes Mal auszukommen, aber seine Brüder konnten ihn immer finden und ihn ins Wasser locken. Allein von dem Gedanken bekam er Gänsehaut.
In diesem Jahr war es in Dimmuborgir ungewöhnlich kalt gewesen. Die Wintersonne verschwand bereits hinter den Bergen und tauchte die Landschaft in magisches goldenes Licht. An manchen Stellen ragte die schwarze Lava aus dem Schnee und bot einen starken Kontrast zu der sonst weißen Landschaft. Aber Löffellecker schenkte der Schönheit, die ihn umgab, keine Aufmerksamkeit. Ihm war eiskalt. Die Kälte in seinem Körper breitete sich immer weiter aus. Er stampfte mit den Füßen und rieb seine Hände zusammen, um sie warm zu halten. Seine Gedanken wanderten unvermeidbar zu dem warmen Wasser, das ihn erwartete… aber, nein! Löffellecker war stur und würde lieber erfrieren als zu baden!
Löffellecker im Versteck.
Die Dunkelheit breitete sich aus und Löffellecker stand noch immer still wie ein Mäuschen an den Felsen gepresst. Er fühlte sich wie ein Eiszapfen, denn es schien als wäre er an den Felsen festgefroren und könnte sich nicht einmal bewegen, wenn er es wollte. Dann hörte er wieder jemanden seinen Namen rufen, dieses Mal näher als zuvor. Er konnte den Schnee knirschen hören, als ob sich viele Beine näherten. Plötzlich wurde es hell. Es war sein riesiger Bruder Schaumschuft, der eine Laterne hielt. Hinter ihm waren noch mehr Weihnachtsmänner und sie führten ein… Pferd?! Wo hatten sie nur ein Pferd her? Als er den beeindruckten Blick seines Bruders sah, lachte Schaumschuft so sehr, dass sein Bauch wackelte. „Weißt du noch, als du gesagt hast, dass dich keine zehn Wildpferde in das Bad bekommen könnten? Naja, jetzt werden wir es sehen. Das ist nur ein gezähmtes Pferd namens Garpur, das wir geliehen haben. Aber ich denke, er wird es schaffen!“
Löffellecker versuchte zu protestieren, aber das einzige Geräusch, das aus seinen halbgefrorenen Lippen kam, war ein leises Wimmern. Keulenklauer hatte ein Seil dabei und begann, es um Löffellecker zu wickeln. Seine Brüder hatten ihn tatsächlich schon früher einmal gefesselt und zum Weihnachtsbad geschleppt, aber noch nie hat ihnen ein Pferd dabei geholfen! Sie wickelten das Seil um Garpur und liefen los. Löffellecker konnte nichts machen, außer mit zu laufen. Obwohl seine Füße taub waren, weil er so lange im kalten Schnee gestanden hatte.
Garpur und Löffellecker nähern sich dem Bad.
Endlich sahen sie Rauch, der aus der weißen Landschaft aufstieg. Sie waren bei den Mývatn Nature Baths angekommen und eine Gruppe von Kindern wartete bereits gespannt auf sie. Lichter brachten das blassblaue Wasser zum Leuchten, aber am tiefschwarzen Himmel leuchteten unzählige Sterne. Die Brüder streichelten das Pferd und belohnten es mit einem Stück Brot. Sie befreiten Löffellecker, zogen ihn aus und schubsten ihn in das warme Wasser. Die Kinder lachten vergnügt, als Löffellecker versuchte, sie loszuwerden als er kopfüber ins Wasser fiel.
Löffellecker schnappte nach Luft, als er aus dem Wasser auftauchte. Sein triefend nasses Haar klebte an seinem Gesicht und er spürte, wie das Wasser seine Wollunterwäsche durchtränkte. Er runzelte die Stirn. Dann fühlte er, wie sich die Wärme in seinem Körper ausbreitete und ihm erneutes Leben einhauchte. Dann hatte Löffellecker plötzlich gute Laune und fing an, mit den Kindern im Becken zu spielen. Vielleicht ist das gar nicht so schlimm, dachte er sich. Am Rand hörte er Garpur, der ihn dorthin gebracht hatte, freundlich wiehern. Löffellecker lächelte in sich hinein, hob seinen Holzlöffel und winkte zum Abschied.
Hier könnt ihr mehr über die Weihnachtsmänner in Dimmuborgir lesen. Hier gibt es weitere Informationen über sie auf deutsch und hier findet ihr unsere Geschichte aus dem letzten Jahr.
Text: Eygló Svala Arnarsdóttir. Übersetzung: Louisa Hackl. Fotos: Marcin Kozaczek/visitmyvatn.is.