In einem Interview mit Horses of Iceland erzählt Tory Bilski von ihrem Werk Wild Horses of the Summer Sun und von ihrer Liebe zu Islandpferden.

Damals, im Jahr 1999 saß Tory Bilski in ihrem Büro der Universität in Yale, wo sie Magazine für Politikwissenschaftler bearbeitet. Sie fühle sich unmotiviert und durchsuchte das Internet, als sie unerwartet auf ein verpixeltes Foto von einem Islandpferd stieß und sich verliebte!

Aber von diesem ersten Blick auf das pixelige Islandpferd an war ich regelrecht besessen, war wieder ein verknalltes junges Mädchen. Es war ein muskulöses Pferd mit einem edlen Kopf, einem kompakten Körperbau, weiten Nüstern und einer wallenden schwarzen Mähne, die ihm der Wind aus dem Gesicht wehte. Ich wusste, dass es ein Hengst war; er hatte die Ausstrahlung eines harten Kerls. Das war ein Pferd, bei dem ich eine Verbindung aus vergangenen Zeiten spüren konnte, eine Erinnerung daran, eine Vertrautheit, was Ort und Zeit angeht (ich weiß, ich weiß …). Normalerweise glaube ich erst nach dem dritten Glas Wein an vergangene Leben, aber da war ich nun einmal, um die Mittagszeit beim Aufschieben meiner eigentlichen Aufgaben, und starrte dieses dunkle Pferd an, das mir wiederum unverwandt entgegenblickte. Lang war es her gewesen, Jahrhunderte, aber jetzt nahmen wir wieder Kontakt zu einander auf.

Da fing der Traum also an. Dieser Ort: Island; dieses Pferd: das Islandpferd.

(Aus Wild Horses of the Summer Sun, 2019, oder Wilde Pferde, wilde Herzen, 2020, von Tory Bilski.)

Einige Jahre später ist Tory in ihrem Heimatort als “die Frau, die nach Island fliegt, um dort zu reiten“ bekannt. Schon seit über zehn Jahren reist sie jedes Jahr mit ihren Freunden nach Island und geht dort auf Wanderritte. Eine Tradition, die sich für sie zu einer Art Therapie entwickelt hat. Letzten Frühling veröffentlichte sie ihr Werk Wild Horses of the Summer Sun, ein herzerwärmendes und oft witziges Buch über ihre Jahre in Island, ihre Liebe zu Islandpferden und dem Land, das sie zu einer so besonderen Rasse macht.

Als du das Foto gesehen hast, hattest du nach 20-30 Jahren gerade wieder angefangen Thoroughbreds zu reiten, aber fühltest dich unerfüllt. Wie kam es?

„Ich ging zu einem Stall vor Ort, wo ich im Reitplatz Schritt, Trab und Galopp ritt. Aber ich hatte stets das Gefühl, dass ich nichts erreichte und etwas mehr lernen wollte.“

Und dann bist du zum ersten Mal ein Islandpferd geritten, auf einem dreistündigen Ritt in Vermont. Was war der Unterschied?

„Ich fühlte mich wohl im Sattel und verbunden mit dem Pferd. Es passte einfach. Ich fand heraus, dass ich Wanderritte sehr gerne mochte – Ich wollte nicht im Kreis reiten. Es ist gut, Unterricht zu nehmen, aber ich brauchte diese Ausritte. Wenn du ausreitest, lernst du auf eine intuitive Art, da du so lange auf dem Pferd sitzt.“

Könntest du deine erste Erfahrung zum Reiten in Island schildern?

Als ich das erste Mal in Island war, meldete ich mich bei einem Pferdeverleih auf einer Farm und traf dort auf Farmer, die Leute mit ihnen reiten ließen, aber es war kein Unterricht. Man hatte nicht das Gefühl, dass sie einen beobachteten. Man war irgendwie alleine, was Vorteile hat, aber es wurde im alten isländischen Stil geritten. Ich denke, dass in Hólar die moderne Reitweise gelehrt wird.“

Wenn wir schon von der „modernen Reitweise“ sprechen … von 2004 – 2015 warst du Teil einer exklusiven Gruppe von Frauen, die eingeladen wurden mit Helga Thoroddsen, einer Pferdezüchterin und damaliger Dozentin für Pferdewissenschaften an der Universität in Hólar, auf ihrer Farm in Þingeyrar im Nordwesten Islands zu reiten. Was ist das Besondere an Hólar und am Reiten mit Helga?

„Hólar ist wie ein Pferdemekka für uns Amerikaner. Es ist sehr schwierig, in Hólar aufgenommen zu werden und die Ausbildung dort hat einen sehr guten Ruf, da sie auf Wissenschaft basiert. Auf Þingeyrar nahmen wir Reitstunden und am Ende waren es oft Praktikanten aus Hólar, die uns auf den Ausritten im Sommer halfen und uns unterrichteten. Das war auch für sie eine gute Übung.“

Was ist der Unterschied zwischen dem Reiten von Islandpferden in den Staaten und Island?

„Dort, wo ich im Nordwesten lebe gibt es viele Wälder mit riesigen Bäumen. Wenn ich auf einem Weg reite, kann weder ich noch das Pferd um die Ecke schauen und ich habe oft das Gefühl, dass mir unerwartet etwas entgegenkommen könnte. In der Vorstadt, in der ich lebe, wurde ein Bär gesehen! In Island gibt es keine gefährlichen Tiere, was einem ein noch stärkeres Gefühl von Freiheit gibt.“

Was ist so besonders an den Islandpferden?

„Du kannst dich einem Islandpferd auf der Weide nähern und es ist freundlich und neugierig. Im Stall, während des Sattelns, bleibt es ruhig. Man muss es nicht anbinden, damit es stillsteht. Dann steigt man auf und sobald man den Stall verlässt, wird es aufmerksam und energetisch. Es ist, als ob es sagt „Okay Fräulein, ich nehme dich auf einen Ritt mit. Ich mach das. Lass mich einfach gehen.“ Das Pferd ist ein Teil seiner Umgebung und man merkt den Unterschied, den das macht. Es ist die Art, wie sie gezüchtet werden und halbwild aufwachsen. Sie werden für Monate in die Berge geschickt, um selbst zu überleben. Sie sind nicht verzogen, wie manche Haustiere. Das macht etwas mit ihrem Gehirn und es macht sie schlau – sie dürfen einfach Pferd sein.“

Kann jeder Islandpferde reiten?

„Islandpferde sind sehr temperamentvoll. Ihre Gangarten machen es einfach, sicher von A nach B zu reiten. Dann bemerkt man, dass es kompliziert ist, die fünf Gänge zu haben und dass es jede Menge zu lernen gibt. So viel, dass ich es nie im Leben lernen kann. Aber das ist in Ordnung, da ich jede Menge Spaß haben kann, auch ohne eine Pferdeexpertin zu sein.“

Du sprichst von dir und deinen Freunden, mit denen du auf Þingeyrar geritten bist, als „Bekehrte“. Kannst du das erklären?

„Wir haben alle eine Geschichte, die mit Großpferden zu tun hat. Das war nicht so einfach, da wir alle erst im mittleren Alter wieder angefangen haben, zu reiten – eine der Frauen sogar mit 59! Jeder von uns entdeckte das Islandpferd auf eine eigene Art und Weise, aber keiner wollte nochmal eine andere Rasse reiten. Ich hatte in der Vergangenheit mit Thoroughbreds zu tun, große muskulöse Pferde, aber als ich anfing Islandpferde zu reiten, war es um mich geschehen. Wir konvertierten! Mittlerweile fühle ich mich auf anderen Pferden tatsächlich nervöser.“

Du schreibst, dass deine liebste Gangart der Galopp ist. Warum?

„Ein gemütlicher Tölt ist toll, aber als ich ein pferdeverrücktes junges Mädchen war, wollte ich nur auf den Wiesen galoppieren; aber dann wurden es die Schotterpisten Islands! Es fühlt sich für mich sehr bequem an und ich komme fast nie aus der Balance. Auf Großpferden verlor ich oft mein Gleichgewicht, also wollte ich nie wirklich viel galoppieren. Als ich den Rennpass probiert habe, war das ein Versehen. Ich wusste nicht, was passiert. Es ist kein vergleichbares Gefühl, es fühlt sich an wie fliegen.“

Wie war das Reiten in Island therapeutisch für dich?

„Wenn man auf einem Ausritt ist, dreht sich alles um den Moment: Der Weg vor dir, die Gangart deines Pferdes, dein Sitz. Aber man denkt nicht wirklich über sich selbst nach, man ist absolut mit dem Reiten beschäftigt. Wenn man sich so auf einen Moment konzentriert, bringt das ein gewissen Gefühl von Frieden und Harmonie. Man verliert sich selbst in dem Moment – auf eine gute Art. Andere erleben dieses Gefühl beim Surfen oder Ski fahren. Außerdem, das Gefühl in der Natur zu sein. Man hört Vogelgesang und bellende Hunde und dieses Klangorchester und Nordisland ruft mich. Die raue Schönheit der Natur und das wunderschöne Sommerlicht.“

Was nimmst du von der Reiterfahrung auf Island mit?

„Es ist einfach unglaublich, Zeit mit den Pferden in ihrem natürlichen Lebensraum zu verbringen. Es gibt mir ein Gefühl der Freiheit – das ist das Wort, welches am besten beschreibt, was ich und viele andere erleben konnten. Und in dieser Gruppe von Frauen haben wir Freundschaften geschlossen, die eine lange Zeit erhalten bleiben werden, auch wenn wir alle wieder zu Hause sind.“

Wild Horses of the Summer Sun – A Memoir of Iceland von Tory Bilski wurde von Pegasus Books (New York) im Mai 2019 und von Murdoch Books in Großbritannien, Australien und Neuseeland veröffentlicht. Es wird auch in Deutschland und den Niederlanden übersetzt und veröffentlicht werden. Die deutsche Fassung: Wilde Pferde, wilde Herzen. Eine Geschichte von Freundschaft und Abenteuer auf Island, wird am 4. April 2020 erscheinen. Bis dahin ist die Orginalausgabe auf Amazon, Barnes & Nobles, Waterstones, Foyles, Penninn Eymundsson und anderen Bücherläden erhältlich.

Text: Eygló Svala Arnarsdóttir. Fotos: Tory Bilski. Übersetzung: Louisa Hackl.

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