Hat das Schicksal Heidi Koivula und ihre Stute Skjóna wiedervereint?
Es ist ein verregneter Tag in Rauðhólar. Leichtfüßig töltet eine Fuchsscheckstute entlang eines Pfades, der durch die roten Pseudokrater führt. Ihre Reiterin ist eine langhaarige elfengleiche Gestalt in einem grauen Islandpullover. Das hellgrüne Moos und die rostroten Felsen verwandeln die Umgebung in eine Fantasiewelt. Die Geschichte darüber, wie sich die Stute und ihre Reiterin gefunden haben scheint auch wie aus dem Märchenbuch.
 
Heidi Koivula kommt aus Finnland. 2011 kam sie nach Island, um auf einer Pferdefarm im Norden zu arbeiten und seitdem reist sie stets hin- und her zwischen den beiden Ländern. „Ich bin jetzt zum 14. Mal in Island,“ sagt sie in fast perfektem Isländisch. Im Sommer 2016 hat Heidi als Pferdetrainerin in der Stallgemeinschaft Víðidalur in Reykjavík gearbeitet. Eines ihrer Berittpferde war eine schüchterne Fuchsscheckstute, die sich Menschen gegenüber eher skeptisch verhielt. Heidi fand das Pferd wunderschön und nahm sich vor, das Vertrauen der Stute zu gewinnen. „Ich mag Herausforderungen,“ lächelt sie. Heidi kannte weder den Namen des Pferdes, noch den Besitzer. Ihr Arbeitgeber war sich auch nicht sicher, also entschied sie, die Stute Skjóna („Scheckin“) zu nennen. 
 
 
„Ich war drei Jahre alt, als ich zum ersten Mal auf einem Pferd saß und ich wusste, dass das etwas war was ich gerne tun möchte. Niemand in meiner Familie hatte Pferde, aber mein Urgroßvater war ein Pferdemensch, also vielleicht habe ich es im Blut?“ Heidis Familie lebte auf dem Land, zweieinhalb Stunden von Helsinki entfernt. Der Nachbarhof hatte Pferde und das ist der Ort, an dem Heidi ihre Leidenschaft gefunden hat. Nachdem sie und ihr Bruder zum ersten Mal auf einem Pferd saßen, wollte sie es wieder und wieder tun. Als sie sechs Jahre alt war, erlaubten ihre Eltern ihr, einmal pro Woche Reitunterricht zu nehmen. Aber sie ging auch bei ihren Nachbarn reiten. „Meine Mutter sagte, ich müsse es mir verdienen, also half ich beim Kühe melken und durfte im Gegenzug dazu reiten gehen,“ sagt sie. Doch dann erfüllte sich ein Traum für sie: „Als ich zehn war, bekam ich ein Shetland Pony.“ Heidi hatte auch viele andere Tiere und bekam später ein Irisches Pony. 
 
Nachdem sie die Schule beendet hatte, wollte Heidi auf einer Pferdefarm irgeendwo in Europa arbeiten. Von einer Freundin erfuhr sie von einer Farm in Nordisland, welche Reiter suchte. Anfangs war Heidi von der Idee nicht allzu begeistert, aber sie beschloss dem Ganzen eine Chance zu geben. „Nach ein paar Tagen liebte ich Island, die Natur- und die Islandpferde.“ Die Vielseitigkeit der Rasse beeindruckte sie. „Es gibt so viele verschiedene Arten von Islandpferden. Manche können von allen geritten werden; andere sind sehr aufbrausend und nur etwas für erfahrene Reiter, und viele sind irgendwo dazwischen,“ sagt sie. „Ich mag es auch sehr gerne, dass sie draußen leben, das richtige Pferdeleben. Ihr Charakter ist deshalb sehr angenehm.“ Auch die isländische Gesellschaft beeindruckt Heidi. „Meine Großmutter, sie war mir sehr wichtig, erzählte mir, dass das Leben früher ganz anders war. Nachbarn halfen sich gegenseitig. Sie führten ein ruhiges Dorfleben. Niemand musste die Tür abschließen. Jetzt führe ich ein solches Leben.“ Heidi fühlt sich, als würde sie nach Island gehören. „In Finnland bin ich ungewöhnlich. Leute dort machen gerne Pläne. Sie sind organisiert. Ich bevorzuge die ‚werden wir schon sehen‘ oder ‚þetta reddast‘ Einstellung,“ sagt sie über das isländische Sprichwort, welches „alles wird sowieso funktionieren“ bedeutet. Heidi erklärt, dass ihr Gedankengut eher isländisch als finnisch ist. Sie hat gute Freunde hier. 
 
Heidi nahm sich Skjónas Training zu Herzen. „Ich machte sehr viel Bodenarbeit mit ihr und sie fing an, mir zu vertrauen. Ich konnte sie reiten, aber sie war sehr angespannt.“ Langsam aber sicher bemerkte Heidi, dass sie Fortschritte machte. „Nach zwei Wochen hat sich etwas grundlegend verändert. Sie konnte draußen eingefangen werden. Jetzt habe ich eine Verbindung gespürt. Sie konnte sich entspannen und hatte vor nichts Angst, solange ich ihr gesagt habe, dass alles gut ist. Sie fing an, ihre Beine sehr schön zu bewegen und ihren Körper richtig einzusetzen.“ Skjóna entwickelte sich zu einem angenehmen Reitpferd mit hohen Bewegungen. Heidi hatte sich in Skjóna verliebt und war sehr traurig, als die Stute eines Tages nicht mehr im Stall war. „Eines Tages, als ich zum Stall kam, war sie weg. Ich wusste nicht, wohin sie gebracht wurde. Ich dachte ich hatte sie verloren.“
 
 
Zweieinhalb Jahre sind vergangen. Eine Freundin von Heidi, die eine Reitschule in Finnland hat, bat um ihre Hilfe beim Kauf eines Islandpferdes. Heidi postete auf eine Facebookseite, auf denen Verkaufspferde angeboten wurden. „Ich bekam 20-30 Nachrichten. Ich war zu der Zeit in Finnland. Ich sah eine Nachricht mit Video, von einer Frau namens Erla von der Farm Hvoll ll, die Pferde züchtete, trainierte und verkaufte.“ Heidi redete mit ihr über einen Wallach, der ihrer Meinung nach gut in eine Reitschule passen würde und ihre Freundin kaufte ihn letztendlich. „Ich war neugierig und wollt wissen, was noch für Pferde auf Hvoll ll zum Verkauf stehen und sah mir ihre Facebookseite an. Dort sah ich eine Anzeige für eine Stute namens Hending, eine Fuchsscheckstute, die genau wie Skjóna aussah. Ich dachte mir, das kann nicht wahr sein, aber las die Informationen über sie. Dort stand, dass sie einen speziellen Charakter hat und daher nicht passend für eine Reitschule wäre. Ich sah mir meine Fotos und Videos aus 2016 an, um zu sehen ob die Farbe übereinstimmte.“ Heidi fragte Erla nach weiteren Details über die Stute und konnte dann sicher gehen, dass Hending ihre Skjóna war!
 
Heidi hatte nicht geplant, ein Pferd zu kaufen aber jetzt war sie sich sicher, dass sie Skjóna haben musste. „Auch weil sie so besonders ist, wollte ich nicht, dass jemand anderes sie kauft, der sie vielleicht nicht verstehen kann.“ Als Heidi ihren Freunden von dieser besonderen Geschichte erzählte, ermutigte sie jeder zum Kauf – sie und Skjóna gehörten offensichtlich zusammen. Einer von Heidis Freunden bot ihr eine Box in seinem Stall in Víðidalur an und er wollte sie auch zusammen mit Heidi abholen. „Also beschloss ich, sie zu kaufen. Am 31. Dezember 2018 kam ich in Island an und am 4. Januar holten wir Trainingspferde und auch Skjóna von Hvoll ll ab.“ Die Emotionen sind überwältigend, als sie das Wiedersehen beschreibt. „Es war als würde sie denken: ‚Kenne ich dich?‘ Zuerst bliebt sie reserviert. Dann kam sie langsam auf mich zu. Ich konnte sehen, dass sie mich irgendwie kannte. Genug um mir zu folgen.“
 
Seitdem sind Heidi und Skjóna unzertrennlich. Als sie von Rauðhólar zurück nach Hause reiten, reißt die Wolkendecke auf und die Sonne strahlt auf die finnische Frau und die isländische Stute, zusammengebracht durch das Schicksal. 
 
Text: Eygló Svala Arnarsdóttir. Fotos und Übersetzung: Louisa Hackl.

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